Samstag, 15. Dezember 2018

PoesieAlbum

Mein Stammbuch

Heute habe ich etwas gesucht. Gefunden habe ich es nicht.
Stattdessen fiel mir mein „Stammbuch“ aus meiner Schulzeit in die Hände. Auch „Poesiealbum“ genannt. Ob die teilweise mit Tintenkiller bearbeiteten Einträge wahrlich Poesie sind, sei dahin gestellt. Aber irgendwie haben sie etwas antikes, ein wenig verstaubtes an sich. Dennoch vermitteln sie ein ehrwürdiges Flair. Ich rätsle bei jeden eingetragenen Namen, ob ich noch weiß, wer der oder die große DichterIn war.
Eintrag meiner Oma



Hier ein paar der literarischen Ergüsse:
Zwei Täubchen am Dache, die lieb ich so sehr,
aber Dich liebe …  noch viel mal mehr
Es küssen sich zwei Täubchen in stiller, stiller Ruh
ich weiß nicht wie sie heißen
ich glaube Ich und Du
Ins Stammbuch trag ich gern mich eini
ich möchte nicht vergessen sein.
Doch auch im Herzen möchte ich stehn,
das Stammbuch könnt verloren gehen
Rosen, Tulpen, Nelken
alle drei verwelken
Stahl und Eisen bricht
nur unsere Freundschaft nicht
Soll dich einst ein Bubi küssen
sei nicht gleich so aufgebracht
Mutti brauch es gar nicht wissen,
hats ja selber auch gemacht.
und der Klassiker auf der letzten Seite:
Ich schreibe mich aufs letzte Blatt, weil ich dich am liebsten hab!
Gibt es eigentlich noch Poesie-Alben?
Habt Ihr noch eines?
Welche lyrischen Worte fallen Euch dazu noch ein?
verfasst am 15.02.2015©Bluesanne

Mittwoch, 5. Dezember 2018

The music in me (25) [J.J. Cale]

J.J. Cale - LP-Cover
Der scheue Mann aus Oklahoma ist wohl einer jener Musiker, dessen Name nicht gleich bei Jeden einen hohen Erkennungswert hat. Doch spätestens seit dem Song Cocaine,weiß der geschätzte Zuhörer von wem die Rede ist.

J.J.Cale der mit Phil Spector,Delaney & BonnieBob SegerArt GarfunkelMaria Muldaur,Lee ClaytonNeil Young zusammen gearbeitet hat. Musiker, Komponist, Mitbegründer des Tulsa-Sounds, dessen Musik unspektakulär daher kommt. Viele Songs kurz, sparsam und dabei sehr gewissenhaft instrumental ausgearbeitet. Er spielte mehrfach alle Instrumente seiner Aufnahmen selbst. Eric Clapton beschrieb in einem Interview diesen Stil:“… really, really minimal…, it’s all about finesse.” (etwa „… wirklich sehr minimalistisch; das Wesentliche sind die Feinheiten.“
J.J. Cale und Eric Clapton veröffentlichten im November 2006 das gemeinsame Album The Road to Escondido, das 2008 mit einem Grammy als Best Contemporary Blues Album (Bestes zeitgenössisches Bluesalbum) ausgezeichnet wurde. Christine Lakeland (Ehefrau von J.J.Cale) spielt auf diesem Album Gitarre, die auch bei den meisten Touren in der Band mitwirkte. Ein musikalischer Hochgenuss zum zurück lehnen und entspannen. Eine Musik, für Alle die gerne chillaxen.

Auf alle Fälle eine Inspirationsquelle für viele andere Musiker.  So manches Gustostückerl findet sich darunter ! ! !
Anyway the Wind Blows: Bill Wyman’s Rhythm Kings, Brother Phelps
After Midnight: Eric Clapton, Chet Atkins, Sérgio Mendes, Merl Saunders mit Jerry García, Reiner Schöne („So um Mitternacht“), The Seldom Scene, The Yardbirds, John Mayer
Bringing it Back: Kansas,  Lynyrd Skynyrd
Cajun Moon: Eric Clapton, Randy Crawford, Igor Flach, Herbie Mann, Maria Muldaur, Poco, Chris Spedding
Call Me the Breeze: Eric Clapton, The Allman Brothers Band, Bobby Bare, Johnny CashDavid Allan Coe, Dr. Hook, Waylon Jennings, Lynyrd Skynyrd, Tom Petty, John Mayer, Spiritualized, Kurt Ostbahn ("Des Wetter wird umschlogn";)
Clyde: Dr. Hook, Waylon Jennings
Cocaine: Eric Clapton, Joe Cocker, Nazareth, ZZ Top

Crazy Mama: Eric Clapton, The Band, Larry Carlton,Redbone, Johnny Rivers
I got the Same Old Blues: Eric Clapton,  Bobby „Blue“ Bland, Brian FerryFreddie King, Lynyrd Skynyrd
Magnolia: Eric Clapton, José Feliciano, David Kitt, Poco, Chris Smither, Pat Travers
Right down here: Asha Puthli (1973)
Die fantastischen Vier (1992)
Urheber: Andreas Rieke / Michael B. Schmidt / Thomas Dürr / Michael DJ Beck. Enthält Zitate aus den Songs "Right Down Here" von Asha Puthli aus dem Jahre 1974 (Song ist im Original von J. J. Cale aus dem Jahre 1972) und "Mister Magic" von Grover Washington jr aus dem Jahre 1974
The Sensitive Kind:  Eric Clapton, John MayallCarlos Santana, Калинов Мост, Heli Deinboek
Travelin’ Light: Eric Clapton, Widespread Panic
You Keep Me Hangin' On: Kevin Ayers, Diamond Jack And The Queen Of Pain
(Quellen:Wikipedia, Rock & Pop Lexikon (Frank Laufenberg/1998)
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"Welche Musik hörst Du gerne?"
Diese Frage bringt mich immer wieder ins Schleudern, weil es kaum ein Genre gibt dem ich nicht mein Gehör schenke. Es kann schon mal vorkommen, dass ich mich von einem Song zum anderen bei YouTube oder anderen Musikforen klickend über Stunden verirre. Ich wühle mich durch meine Schallplattensammlung und sitze überglücklich im Stapel meiner Plattencovers. Steige mit einem Heavy-Metal Song ein und lande schlussendlich bei Cecilia Bartoli. Eine spannende ziemlich divergente Reise.
Die Musik in mir ist ebenso bunt, wie meine M a l e r e i .
Eine farbefrohe MusikConnaisseurIn.
V I E L   V E R G N Ü G E N !
♬♬ Musik ♬ ♬...das wohl intensivste Mittel, Erinnerungen, Emotionen und Vergangenes in die Gegenwart und Vergangenes aus der Gegenwart (weg zu) beamen!
Wenn die Weisheit am Ende ist...sprechen das Herz und der Blues♥ ©Bluesanne  

(verfasst am 25.04.2015© Bluesanne )

Samstag, 1. Dezember 2018

Matador

Mein Matador Baukasten
„Darauf freue ich mich heute ganz besonders“, sage ich aufgeregt zu P. Wir steigen in unsere Limone (so nannte ich meinen CitroënBX) und fahren in Richtung Waidhofen/Thaya. Es ist der vierte Besuch, bei einer der Betriebe, die wir für das Buchprojekt gewählt haben. Ein Bildband mit ganz speziellen Produkten aus Österreich. Erzeugnisse die sich weltweit einen ganz besonderen Namen gemacht haben. Dinge, die man vielleicht nicht unbedingt gleich mit Österreich verbindet. Von Menschen ins Leben gerufen, deren Berufung es ist  ihre Schöpfungen einfach zu schaffen. Menschen die eine Vision haben und diese mit viel Arbeit und Herzblut in die Realität umsetzen.
Rundum duftet es von frisch geschnittenen Holz, Harz und Nadelbäumen. Ein Geruch der meine Nase frohlocken lässt. Am liebsten würde ich ausschließlich einatmen um diesen olfaktorischen Genuss nie wieder aus meinem Körper zu entlassen. Der Boden ist überall mit feinen Sägespänen bedeckt. Feiner heller Holzstaub, der aus der Werkstatt geweht ist und sich nun rundum nieder gelassen hat.
Herr und Frau Tobias begrüßen uns herzlich und führen uns sogleich in die heiligen Hallen der legendären Holzbausteine. Klötze, die wohl fast alle Kinder im letzten Jahrhundert in ihren kleinen Händen gehalten haben. Dank Mag. Michael Tobias heute wieder. Einer der sich wieder auf die wesentlichen ursprünglichen Bauteile besinnt. Ebenso wichtig ist ihm bei der Produktion die Qualität. 100 % aus natürlichem Material. Holz, Buchenholz, welches zwei bis drei Jahre gelagert wird. Mit strahlenden Augen führt er uns durch die Werkshallen. Er erzählt uns, dass er für manche Bauteile, spezielle Maschinen bauen ließ. Rundum das herrliche Holzbukett, welches in meine Nase kriecht. Tränen in den Augen, als ich die ersten Matadorteile in der Hand halte. Tränen der Rührung und wohl auch des feinen Staubes wegen, der durch die Werkstatt tanzt.
Eine besondere Herausforderung sei die Herstellung der Verbindungsstäbe, erzählt uns der Herr des Holzparadieses. Die Stäbchen in unterschiedlichen Größen und Farben müssen passgenau sein, so gut wie unzerbrechlich, gleichzeitig aber flexibel genug um sie mit allen Teilen zu verbinden. Wir dürfen uns alle Stationen der Produktion ansehen. Heute stehen alle Maschinen still, es ist Wochenende. Doch draußen lagert schon das nächste feine, edle Holz für ein Spielzeug, welches es hoffentlich noch ewig geben wird.
Rohling
Dank der Idee des Österreichers Johann Korbuly. Dessen Einfallsreichtum, die Kreativität mit Matador von vielen Kindern fordert und fördert. Die lange und sehr spannende Entwicklungsgeschichte findet ihr hier.
Achja, einen Baukasten durfte ich mitnehmen. Herrlich, jetzt kann ich mit dem für mich fast schon zu kleinen Hammer, neue wunderbare Konstrukte zusammen klopfen!
Baukasten


Bauwerk
©Bluesanne bedankt sich fürs Lesen!
Der Name Matador geht auf die alte Redewendung "Er ist ein Matador in seinem Fachgebiet"  zurück und soll die Überlegenheit von Korbulys Konstruktion zum Ausdruck bringen.
und ein passender Song findet sich irgendwie immer dazu: 
Garland Jeffreys - Matador (1979)
weitere Beiträge von Bluesanne im Überblick

(verfasst am 23.04.2015©Bluesanne)

Freitag, 30. November 2018

BuchstabenNutte

Letter Naked

Unlängst lag eine Postkarte in meinem Briefkasten. Zuerst dachte ich, es sei eine Werbesendung. Doch dann erkannte ich die Handschrift. Auf der Vorderseite türkisfarbenes Meer und weißer Sandstrand.
Beneidenswert, dachte ich. Nun, was schreibt die in der Ferne weilende Absenderin:

Servus Bluesanne, hier ist es wunderbar heiß, wie Du Dir denken kannst. Ich genieße die Zeit und spaziere täglich am traumhaften Strand entlang. Das Meer ist noch türkisener, als Du Dir das je vorgestellt hast. Am Abend schlürfe ich meist einen fruchtigen Cocktail oder tanze in der Strandbar. Jeden zweiten oder dritten Tag funktioniert hier auch das Internet und ich verfolge interessiert Deine Geschichten. Seltsam all das hier am anderen Ende der Welt zu lesen. Ich frage mich, warum Du das tust? Nundenn…sonnige Grüße Deine Susanne

Ich vergönne Susanne, diese wunderbare Zeit. Herrlich die Vorstellung in der Strandbar. Doch diese Frage zum Schluss, wieso will sie das schon wieder wissen? Sie war schon immer die Zweiflerin, skeptisch und scheu. Ich hoffe, die Sonne und das Meer vertreiben ihr ein wenig die trüben Gedanken. Diese ewige Grübelei war schon nervig. Aber gut, sie hat ein Anrecht auf eine ehrliche Antwort.

Liebste Susanne, fein, dass Du ein wenig Abstand gewinnen kannst, von all den Grauen hier in dieser verkorksten Welt. Du möchtest wissen, warum ich unsere Geheimnisse in die Welt hinausschreibe.
Nun, die Gespräche mit Dir sind und waren mir immer wichtig. Doch irgendwann drehte sich alles im Kreis. Von einem Labyrinth in das nächste sind wir geraten. Du warst einfach immer zu feige um einen neuen Weg zu beschreiten. Für Dich war Sicherheit im Leben das Wichtigste. Und, was hat es Dir gebracht? Du bist gefallen, von einem Fettnäpfchen ins nächste bist Du gestiegen. Oft sogar freiwillig. Wenige, ganz ehrliche Menschen an Deiner Seite haben dich gewarnt. Aber Du wolltest es nicht wahrhaben.
Aber genug der Vorwürfe, ich weiß,  es ist nicht einfach sein Leben total um zu krempeln. Völlig auf Dich alleine gestellt.
Ich habe alle Deine kleinen Bücher gelesen, vieles ist mir heute noch ein Rätsel. Doch eines wurde mir klar, diese Zeilen sollten viele Menschen kennen lernen. Was kann schon passieren? Sicherlich hätte ich Dich vorher fragen können, aber ich bin mir sicher, Du hättest wieder einen Rückzieher gemacht. Deshalb habe ich Dich auf die Reise geschickt. So, nun ist es raus. Ich habe Dich ein wenig beschwindelt. Verzeih!
Für mich, als kreativer Part unserer lebenslangen Symbiose gibt es kaum bis keine Grenzen. Zumindest nicht, was die Phantasie betrifft. Jedoch übertrifft das wahre Leben bei weiten oft die menschliche Vorstellungskraft. Immer wenn Du dachtest, es betrifft nur Dich, haben etliche Menschen auf der Welt dasselbe wie Du erlebt. Jedes Mal, wenn Du Dir Fragen gestellt hast, haben sich ebenso viele andere Menschen, dieselben Fragen gestellt. Bei jeden Deiner Tiefschläge fülltest Du Dich alleine und im Stich gelassen. So wie abertausende Menschen auch. Was liegt da näher, diese Gedanken mit anderen zu teilen. Du hast es zwar immer wieder versucht, doch es gab selten die Möglichkeit über Alles zu sprechen. Die ganze Wahrheit, alle Deine Erinnerungen, Deine Ängste, Deine Zweifel und Deine aber Millionen Fragen. Da reichen zweimal 50 Minuten Gespräche mit der Therapeutin im Monat nicht aus. Außerdem sollst Du ja dort nicht über das Leben resümieren, sondern Dich wieder stabilisieren. Natürlich gehört Deine Vita dazu, doch auf eine andere Art und Weise.
Das Leben findet nicht nur in Deinen eigenen vier Wänden statt. Ich weiß, die Welt da Draußen macht Dir Angst. Selbst das geschriebene Wort anderer verstört Dich schon und Du trittst wieder den Rückzug an. Keine Angst, Susanne, es sind nur Worte. Dutzende dieser Buchstabengebilde, die Du schon selbst errichtet hast. Auch wenn wir dieselbe Sprache sprechen, heißt das noch lange nicht, dass wir einander verstehen und schon gar nicht begreifen. Selbst Du und ich haben unsere Differenzen.
Es gibt einfach keinen Grund mehr, sich unter dem Mantel der Verschwiegenheit zu verkriechen. Du weißt, ich, die Bluesanne ist eine Seelenexhibitionistin. Also ich möchte aus meinem Herzen keine Mördergrube machen. Schon gar nicht, weil wir nie wissen, wann Schluss ist. Möchtest Du wirklich 52 Jahre mit ins Grab nehmen?
Darum erzähle ich einfach diese Gedanken da draußen in der Welt. Gleich ob sie Zustimmung oder Ablehnung finden. Sie werden gelesen. Egal, ob es Reaktionen gibt, oder nicht. Die Buchstaben, Worte, Zeilen, Geschichten und vor allem Deine Gedanken werden in anderen fremden Köpfen landen. Ganz viele werden sie bald wieder vergessen. Ganz viele werden sie wahrscheinlich nicht einmal verstehen. Und noch mehr, werden sie vielleicht einfach überlesen. Doch das ist einerlei. Wenn lediglich ein einzelner Mensch, Parallelen oder ähnliche Gedanken oder Erlebnisse finden, ist es schon von Nutzen. Kann sein, dass Du es nie erfahren wirst. Aber ebenso ist es möglich, dass Dein Leben auch in anderen Menschen gelebt und erlebt wird oder wurde. Und er wird Dir davon berichten. Die Chancen stehen gut, glaub mir.
Die gesamte Welt verändern oder retten können wir nicht. Doch in Deiner und meiner Welt können wir was verändern. Du weißt, ich habe noch unzählige Visionen, und eine davon habe ich begonnen. Nicht nur im stillen Kämmerlein, nicht nur für uns Zwei. Nicht nur in den unzähligen kleinen Büchlein gekritzelt. Nein für Alle, die es gerne lesen wollen. Eines ist sicherlich auch gewiss, liebe Susanne, Du wirst Deine Worte auch noch in hundert Jahren auf / im Big Data finden. Zumindest nach heutigen Wissensstand.
Kommunikation, Verständigung, Verbindungen, Beziehungen und Austausch werden immer ein wesentlicher Teil der Menschen sein. Auch wenn Kontakte heute über Datennetze und einige Umwege passieren, zu guter Letzt setzt man sich doch gemeinsam an einen Tisch und plaudert von Angesicht zu Angesicht. Spätestens da, fallen alle Masken und Hüllen.
Hast Du mir selbst erzählt, zu Zeiten Deiner Suche auf Datingseiten.
Nundenn,
meine liebe Susanne, genieße die Zeit im Paradies
**Umarmung**
Deine BuchstabenNutte  Bluesanne
…ich schreibe weiterhin Deine Striche und Rundungen, mit oder ohne Strichpunkt, BindeStriche, BeiStriche, in StrichRichtung oder dagegen unterm Strich landen sie auf der virtuellen DatenAnbahnungsstraße der Suchenden.
Ich bin Exhibitionistin! Leben! - Ich werde es Dir noch zeigen! ♥(©Bluesanne am 21.12.2011) .
(verfasst am 05.01.2015 © Bluesanne )

Donnerstag, 29. November 2018

Der Ring aus dem Pfandhaus

Diamonds

Eine Dame von Welt, sei sie gewesen. So erzählten sich die anwesenden Trauergäste. Stets elegant in Kostüm und Stöckelschuhen gekleidet. Niemand hatte sie je in Jeans und Sportschuhen gesehen. Was sie wohl heute trägt?, fragte sich einer der Anwesenden insgeheim. Ein schlanker Mann, der sehr unscheinbar wirkte fuhr sich nachdenklich durch seine ergrauten Haare. Da er nicht zu der Verwandtschaft der verstorbenen Dame zählte, saß er in den hinteren Reihen der Aufbahrungshalle. Auf seinem Schoß lag eine langstielige rote Rose, welche er mit seinen hageren Fingern ergriff. Er blickte traurig auf den Ring, den er an seinem rechten kleinen Finger trug. Ganz im Gegensatz zu seiner grauen Erscheinung, war das Schmuckstück geradezu Aufsehen erregend. Aber vor allem schien es doch eher an eine zierliche Frauenhand zu passen. Eine solche feingliedrige Hand, welche Frau Christiane Isabella von Hauenstein besaß. Bis zu ihrem Ableben stets gepflegt, perfekt manikürt ohne jegliche Makel. Die Nägel immer korrekt lackiert mit demselben Rot wie ihre schmalen Lippen. An ihrem tadellosen schlanken Finger wirkte dieser Ring weitaus attraktiver.
Christiane trug den 18-karätigen Goldring viele Jahre und nahm ihn nur selten ab. Ein Dutzend Brillanten umrahmten einen oval geschliffenen Smaragdstein. Tiefgrün schillernd, passend zu ihren Augen. Regelmäßig ließ sie das edle Schmuckstück beim Juwelier reinigen und aufpolieren. Das Erbstück ihrer Mutter lag ihr sehr am Herzen. Viel mehr noch als das gesamte Geld, das sie ebenso geerbt hatte. War sie ja nicht wirklich auf dieses Geld angewiesen.
Nun stand sie mit dunkler Sonnenbrille, heruntergezogenen Hut in einer Reihe mit all diesen Leuten an Schalter 3. Sie hatte diesen Schritt sehr lange überlegt, doch sie hatte Hunger. Der Kühlschrank zu Hause war abgeschaltet, da schon lange nichts Essbares mehr darin zu finden war. Die allerletzte Portion gekochter Nudeln verzehrte sie gestern Abend. Bis zu diesen Zeitpunkt hoffte sie, dass sie noch eine andere adäquate Lösung für ihr finanzielles Dilemma finden würde. Nachdem sie mit ihren letzten Ersparnissen Miete, Strom und Telefonrechnung bezahlt hatte, blieb ihr nichts anderes übrig als diverse Wertgegenstände zu verkaufen. Ihr Freundeskreis war überschaubar klein, und bestand eher aus oberflächlichen Bekanntschaften. Niemals wäre es ihr in den Sinn gekommen, irgendjemand dieser Menschen um Hilfe und schon gar um Geld zu bitten. War sie doch immer diejenige gewesen, die anderen unter die Arme gegriffen hatte. Sie hat es immer gerne getan, Geiz und Neid waren ihr fremd. Völlig unbekannt war ihr jedoch auch die aktuelle Lage in der sie sich befand, welche sie jetzt hier in dieser Halle stehen ließ. All die Jahre war sie schon des Öfteren an diesem Gebäude vorbei gegangen. Oft standen Menschenschlangen bis auf die Straße. Im Augenblick war sie selbst ein Teil dieser Schlange an verzweifelten Leuten. Natürlich hätte sie sich längst um Arbeit bemühen können. Doch mit 55 Jahren beim Arbeitsamt vorzusprechen kam für sie noch weniger in Frage, als ins Pfandhaus zu gehen.
Der Smaragdring zierte nach wie vor ihren Finger. Sie spielte daran nervös in der Manteltasche herum. Mit gesenktem Kopf näherte sie sich Schritt für Schritt dem Mann hinter der Glasscheibe. Vorsichtig lugte sie hinter der Sonnenbrille um sich, keineswegs sollte sie hier jemand erkennen. Sie durchlebte wohl den peinlichsten Moment ihres bisherigen Lebens. Lediglich ein Mann stand noch zwischen ihr und dem Pfandleiher. Im grauen Mantel und ohne jegliche erkennbare Emotion im Gesicht, erschien er wie ein Roboter der sich in Zeitlupe bewegte. Jeder einzelne Handgriff wiederholte sich stets in derselben Reihenfolge. Egal ob ihn nun die Leute Schmuck, Porzellan, Pelzmäntel, Teppiche oder auch Möbel vor die Nase stellten. Es war immer das gleiche Prozedere.
Sie legte wortlos den Ring auf das silberne Tablett, welches der Herr zu ihr hinüber schob. Am liebsten wäre Christiane jetzt unsichtbar gewesen, doch es gab kein Zurück mehr. Der Mann hinter dem Schalter steckte sich das Okular (Uhrmacherlupe) ins rechte Auge und begutachtete nun akribisch ihr Erbstück. Ein Schweißtropfen ran ihr den Rücken hinunter, sie zitterte am ganzen Körper. Aber sie blieb äußerlich ebenso emotionslos wie der Herr im grauen Mantel und schwarzen Ärmelschonern. Sie fühlte sich wie damals als kleines Mädchen, wenn sie an die Tafel gerufen wurde. Der Lehrer wäre ihr im Augenblick bei weiten lieber gewesen. Der Smaragdring landete auf einer Waage. Der graue Roboter notiere einige Zahlen auf einem Formular, suchte mit dem Finger auf einer Tabelle nach einer weiteren Ziffer. Es war soweit, die Stunde der Wahrheit war gekommen. Wieviel? Rasch unterschrieb sie den Zettel, denn sie nun ausgefüllt vor sich liegen hatte. Nun griff der Mann in die Kassa und blätterte ihr zehn Hundertschilling Scheine auf das Pult. Christiane griff nach dem Geld, als würde sie gerade etwas Verbotenes einstecken wollen. Sie knüllte es gemeinsam mit dem Pfandschein in ihre Manteltasche und lief auf die Straße.
Etwa ein Jahr später traf sie Christoph. Christoph war charmant, immer gut gelaunt, sprach kultiviert und brachte Christiane stets zum Lachen. Seitdem sie ihren Ring versetzt hatte, war sie nur selten aus dem Haus gegangen. Zu tief saß noch immer die Scham, aber vor allem war sie unendlich traurig darüber die letzte Erinnerung an ihre Mutter ins Pfandhaus gebracht zu haben. Ihre monetäre Bredouille ließ kaum Aktivitäten zu, deshalb blieb sie lieber in ihren eigenen vier Wänden. Die Wohnung war leer geworden. Viele andere Gegenstände hat sie seitdem ersten Mal im Pfandhaus versetzt. Nachdem sie wieder dort anstand, um an ein wenig Geld zu kommen, lief ihr Christoph über den Weg. Ein Windstoß hatte ihr den Hut vom Kopf geblasen. Verzweifelt lief sie ihm hinterher, doch bevor sie ihn zu fassen bekam, stand Christoph stolz mit der Kopfbedeckung vor ihr. Sie bedankte sich höflich, wollte eigentlich schon weiter gehen, als er sie spontan zu einem Kaffee in der Konditorei einlud.
Anfangs war sie gar nicht in der Laune sich mit dem Mann zu unterhalten. Sie überließ die Konversation ganz ihm. Er erzählte aus seinem Leben, fragte nur selten nach Details was ihre Person betraf. Doch Christiane empfand Christoph als angenehme Abwechslung, nach den stillen zurückgezogenen Monaten. Schon beim ersten Treffen entlockte er ihr ein schüchternes Lächeln, worüber sie selbst am meisten überrascht war. Es fühlte sich so warm an, endlich wieder mit einem Menschen beieinander zu sitzen. Diese wohlige Stimmung veranlasste Christiane auch dazu, einem erneuten Treffen nicht abgeneigt zu sein. Christoph lud sie von nun an regelmäßig zum Essen, ins Kino, in die Oper, zu Ausstellungen und vielen anderen Aktivitäten ein. Er brachte sie, wie es sich für einen Gentleman gehört auch immer nach Hause. Manchmal wollte Christiane schon gerne, dass er mit ihr in die Wohnung kam, aber sie schob es immer wieder auf. Aber sie wusste, eines Tages würde sie genügend Mut haben, um ihn nicht mehr gehen zu lassen.
„Bleib!“, flüsterte sie Christoph ins Ohr. Sie nahm ihn sanft an der Hand, sperrte die Türe zu ihrer Wohnung auf. Als sie das Licht anmachte, konnte man kurz das Entsetzen in Christophs Augen sehen. Doch er sagte nichts. Die Räume waren bis auf das Notwendigste leergeräumt. Die Wände kahl, wo zuvor noch unzählige Gemälde hingen. Ebenso der karge, kalte Fußboden den keinerlei Teppich mehr zierte. Lediglich ein Tisch, zwei Polstersessel, eine kleine Anrichte standen im Wohnzimmer. Christiane war es gleich, sie hatte nichts mehr zum Verlieren. Sie hatte alles ins Pfandleihhaus gebracht.
Christoph weinte still vor sich hin. Er griff nach dem Ring an seinem Finger. Er nahm ihn ab, las die Gravur in der Innenseite. CHRISI – Ich liebe Dich. Er hatte ihn zufällig in einer Vitrine im Pfandhaus entdeckt. Als er ihn da so unter den strahlenden Lichtern liegen sah, dachte er an die schönen geheimnisvollen Augen von Christiane. Die funkelnden Brillantsteine glitzernden wie ihre strahlenden Zähne, wenn sie lächelte. Christoph zögerte keinen Moment und kaufte diesen Ring ohne viel zu Überlegen. Er erinnerte sich an das verblüffte Gesicht von Christiane, als er ihn ihr ansteckte. Eine weitere Träne suchte sich schmerzlich einen Weg durch die Falten in Christophs Gesicht. Sie sah so glücklich, so losgelöst aus, als sie den Ring an ihrem Finger stolz vor ihm präsentierte. Alle Schatten in ihrem Gesicht waren mit einem Schlag verschwunden. Und jetzt lag sie da in dieser Holzkiste und war tot.
Die wahre Geschichte über den Smaragdring hatte sie ihm handschriftlich in einem langen Brief hinterlassen. Jetzt, wo Christoph die Bedeutung kannte, schwor er sich diese Pretiose nie mehr von seinem Finger ab zunehmen. So konnte Christiane für immer als wertvolles Kleinod bei ihm sein. Viel zu kurz war die Lebenszeit, die sie gemeinsam verbringen konnten. Die letzten Monate im Hospiz waren gleichermaßen grausam wie auch unendlich voller bedingungsloser Liebe. Sie war selbst an ihrem Sterbebett noch eine Lady gewesen. Eine Dame von Welt.
(verfasst am 09.01.2016©Bluesanne )
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