Tagtäglich lese und höre ich unaufhörlich, Krieg,
Flüchtlinge, Terror, Unglück, Gewalt, Waffen und ähnliche Begriffe, die
definitiv Negatives vermitteln. Es sind jedoch nicht einfach nur Schlagzeilen,
es sind tatsächlich Dinge die passieren. Schreckliche grauenhafte Ereignisse
die Menschen verursachen. Aus welchen Gründen auch immer. Vieles davon kann ich
als Pazifistin, ohnehin nicht nachvollziehen. Bei den Abscheulichkeiten, die
derzeit geschehen setzt bei mir der Verstand aus. Unabhängig davon, bin ich
ohnehin, durch meine persönliche Situation schon traumatisiert. Die Augen und
Ohren will und kann ich aber nicht verschließen, somit fördert das zusätzlich
meine Angst. Diesen komplett entziehen und ignorieren? Das empfinde ich für
naiv. Und daher setze ich mich dem gesamten Wahnsinn aus und füttere damit
meine bestehende Angst.
Wenn ich mir diverse Fernsehsendungen über Verbrechen
ansehe, welche genauso tagtäglich geschehen, dann ist es für mich eher
verständlich. Wenn der Ehemann seine Frau ersticht, damit er mit seiner jungen
Geliebten ein neues Leben beginnen will. Dabei aber vergisst, dass er ohnehin
einmal im Gefängnis landet. Und falls nicht, wird er es vielleicht auch bei der
neuen Frau, wieder tun. Das ist zwar nicht gerade das normale Verhalten, jedoch
noch gedanklich für mich noch fassbar. Selbst einen Mensch, der aus irgendeinem
Grund ausrastet und ein Blutbad anrichtet, kann ich eventuell noch durchblicken.
Nicht das man mich hier falsch versteht, ich habe dafür keinerlei Mitgefühl
oder Verständnis, jedoch ich kann es für mich begreifen. Dieses Kapieren
vereinfacht mir, damit einigermaßen umgehen zu können. Ich versuche in den
meisten Bereichen mit Informationen und Wissen darüber, eine für mich adäquate
und durchblickende Antwort zu finden.
Doch da gibt es unzählige Dinge, die ich selbst mit
Erklärungen und Erkenntnissen irgendwie nicht ablegen und abhaken kann.
Unabhängig davon, dass ich sie nicht begreife, erschüttern sie mich. Derart,
dass ich in eine Art von Starre verfalle. Ich fühle mich in die Zeit meiner
Kindheit zurück versetzt, wo Furcht und Angst zum Alltag gehörten. Mit dem
Unterschied zu heute, dass ich es damals als Normalität empfunden habe. Weil
ich ja nichts anderes kannte.
5 Tage in der Woche, verprügelt und misshandelt
und am Wochenende gab es dann sozusagen Waffenstillstand. In meiner Erinnerung,
ging das schon vor meiner Schulzeit los und dauerte so lange an, bis ich dann
in meine Ehe geflüchtet bin. In all den Jahren, kann ich mich an einen einzigen
Vorfall erinnern, in dem ich mich zur Wehr gesetzt habe. Ansonsten, ließ ich
alles geschehen. Es kam auch nie der Gedanke auf, ob das alles seine
Richtigkeit hat. Es war einfach so. Ich weiß nur, dass ich mir damals, meine
eigene Überlebensstrategie geschaffen habe. Mein Bett, war meine Höhle. Da
versteckte ich Bücher unter dem Polster. Daneben stand ein kleiner
Radiokassettenrecorder. Unter der Decke hörte ich mit einem Knopf im Ohr,
nachts Radio und drückte gelegentlich auf die „Record+Play“-Tasten, um einige
Lieder auf zunehmen. Diese Musikkassetten besitze ich noch heute. Wenige Bücher
aus dieser Zeit, konnte ich auch retten. Oliver Twist, den ich mit 10 Jahren
gelesen, aber zu dieser Zeit nicht wirklich verstanden habe. Und in dieser
Welt, die für mich, aus heutiger Sicht betrachtet, eine Zufluchtsstätte war,
fühlte ich mich wohl. Da konnte ich mich all dem widmen, was zu Hause verboten
war. Diese Order, war klar und deutlich formuliert. Jeder Einfluss von außen
war verboten. Weil, sonst könnte ja man auf die Idee kommen, dass zu Hause irgendetwas
nicht richtig ist. Meine Schulfreunde durften mich nie besuchen. Mit einigen
wenigen Ausnahmen, war das auch so. Ebenso war mir auferlegt, den Mund zu
halten, und nur dann etwas zu sagen, wenn ich dazu aufgefordert wurde. Doch
selbst da, waren die Worte bedeutungslos und entsprachen eher dem Befehl. Ja,
es waren Befehle und Gesetze die da in dieser kleinen Welt herrschten. Wenn ich
so recht überlege, war es so wie in einen der (früheren) Ostblockstaaten,
rundum eine hohe Mauer mit Stacheldrahtzaun.
Dieses Oktroyieren ging in Fleisch und Blut über, und ich verhielt mich auch außerhalb
meiner Wohnung, dementsprechend. Sprach kaum etwas, und war ständig im
Hintergrund. Etliches ging an mir vorüber, weil es eben verboten war.
Diesen kurzen Rückblick in meine jungen Jahre führe ich hier
deswegen an, um vielleicht ein wenig begreiflich zu machen, wie ich nun
empfinde. Diese damalige Angst und gleichermaßen der Rückzug in meine eigene
Welt, erlebe ich nun wieder. Mit dem Unterschied zu damals, dass dadurch keine
lösende Veränderung stattfinden kann. Die Panik und Angst hat mich wieder voll
im Griff. Die zu Beginn erwähnten Schreckensworte kreisen mich ein. Bauen sich
wie Riesen vor mir auf und bedrohen mich. Dazwischen tummeln sich Millionen von
Flüchtlingen auf der Welt (so viele, wie heute, gab es laut Medien in der
ganzen Menschheit noch nie!). In dieser Reihe stellen sich dann auch die
unzähligen verstorbenen Menschen, aus meinem nahen Umfeld auf. Hinzu gesellen
sich kranke Freunde. Eingerahmt wird diese Heerschar des Horrors von
Existenzängsten, Schmerzen, Ratlosigkeit, Hoffnungslosigkeit. Auch wenn ich nie
das Gefühl „Familie“ empfunden habe, so war es doch einige Jahre so, dass ich
zumindest die Zuversicht aus der relativ friedlichen Stimmung der Umwelt schöpfen konnte. Heute bin ich
umzingelt von dunklen Rauchwolken. Selbst kluge und wissende Leute, sprechen
Ratlosigkeit aus. Menschen, die vor einigen Jahren immer positiv und
hoffnungsfroh in die Zukunft geblickt haben, sind heute vorsichtig und finden
ebenso wenige Antworten, wie es weitergehen soll.
Wenn ich spontan jemand auf der Straße jemand fragen würde: „Was
machst Du, wenn Dein Kind Angst vor etwas hat?“, würden die meisten wohl darauf
antworten: trösten, umarmen und ihm sagen: Du brauchst dich nicht fürchten, ich
bin für dich da! Ich frage mich, wo sind die Menschen mit Verantwortung auf dieser
Welt, die das heute tun? Die sitzen wohl schon selbst im Keller und heulen aus
Angst und Panik. Verstecken sich, genauso wie ich damals, unter einer Decke. Natürlich ist mir klar,
dass es wohl nicht so einfach ist, Weltfrieden zu schaffen. Sonst wäre es doch
schon längst so weit, oder?
„Die Utopie ist aufgrund menschlichen Versagens nicht
ausführbar“, ...denn sie stellt einfach zu hohe Anforderungen!
(#StephenHawking)
Alles zu kompliziert, konfus, hoffnungslos.
Ohne Blick in die Zukunft, lediglich Aufarbeitung der Vergangenheit um
die Gegenwart zu überstehen.
Das kann und darf es doch wohl nicht sein.
Täglich vor der einzigen Entscheidung zu stehen, trinke ich
noch einen Kaffee oder bringe ich mich um (geklaut von Albert Camus) ist auch
nicht sehr fördernd für die Lebenslust. Diese Freude sollte ich doch mit 52
Jahren doch noch aktivieren können, oder? Nicht nur für wenige Augenblicke,
zumindest für eine anhaltende dauerhafte Phase. Bevor bei mir etwas wirklich
begonnen hat, war es auch schon wieder zu Ende. Es war gleichgültig ob ich nun
zuversichtlich und motiviert voran ging, oder skeptisch und vorsichtig war. Das
Ergebnis, war immer das Gleiche. Und das sage ich nicht aus einem tiefen Frust
heraus, sondern die Tatsachen sprechen dafür. Hinfallen, aufstehen, hinfallen,
aufstehen, permanent. Es macht müde und ist demotivierend. Die Helferlein, um
diesen alltäglichen Krampf zu überstehen sind ähnlich derer in meiner Kindheit.
Mit den Dingen zu beschäftigen, die mich ein wenig beruhigen. Musik. Malen.
Schreiben. Lesen. Kaffee trinken, meine bescheidenen Garten auf Loggianien
pflegen. Freuen über jedes Pflänzchen, das mir was zum Essen beschert, damit
ich die Genmanipulierten Plastikfrüchte nicht kaufen muss. Zum einem schont es
mein Budget und andererseits schmeckt es viel besser. Ernähre mich vorwiegend
von selbstgekochten Speisen und backe auch meine Mehlspeisen im eigenen Ofen.
Es hat in dieser Hinsicht doch auch einige Vorteile, wenig Geld zur Verfügung
zu haben. Ich habe ganz einfach keine andere Wahl. Der Kampf es ändern zu
wollen, der ist permanent aufrecht. Doch mein Körper weigert sich mittlerweile
immer mehr, sich zu bewegen. Und wenn er es tut, dann nur äußerst beschwerlich
und völlig unsicher. Wahrscheinlich überträgt sich die gesamte in mir
angesammelte Angst auf meinen Körper, ich weiß es nicht.
Angst bereitet mir auch, dass ich kaum noch in der Lage bin,
für andere Menschen da zu sein. Zumindest, war und ist das, in meinem Leben, ein wichtiger und Energie
bringender Faktor. Meine Sorge ist, dass ich dadurch hartherzig und
unempfindsam werde. Doch solange ich noch den Schmerz anderer oft ärger spüre,
als den eigenen, gibt es wohl noch Hoffnung, denke ich.
Noch unzählige andere Dinge, die mich in Schrecken und
Lähmung versetzen, sind einfach enorm beschwerlich. Angst und Panik, wenn ich
einigen Terminen entgegensehe. Diese versetzen mich in einen Ausnahmezustand.
Völlig paralysiert und gleichzeitig flüchten wollend, bewege ich mich
vorwiegend in meinen eigenen vier Wänden. Mein Verstand sagt mir, es gibt
keinen Grund für diese Angst. Doch das hilft nicht. Ich sitze da, wie in einem
Käfig ohne Tür, die man öffnen kann. Obendrauf fehlt mir meist die Courage zu
schreien. So wie in meiner Kindheit, ich habe nie geschrien. Höchstens ein paar
unsichtbare Tränen geweint. Diese geballte Angst potenziert sich indem dann
obendrauf auch noch die Angst vor Unverständnis kommt. Wenn ich dann, eine
Freundin oder einen Freund um Hilfe bitte. Und falls dann doch Verständnis und
Mitgefühl da sein sollte, habe ich wiederum die Angst, alles erklären zu
müssen. Warum und Wieso? Warum machst Du das nicht, wieso hast Du das nicht
längst getan? Es klingt so irre, selbst für mich, wenn ich das nochmal lese.
Aber es ist so.
Darum bleibt bei mir, wie auch offensichtlich in der Welt da
draußen, Ratlosigkeit. Unruhe, Ungewissheit, Unsicherheit unendlich viele
andere Un-Worte, die einfach Angst hervorbringen. Ein kleiner Kerzenschimmer
könnte doch noch, für ein paar wenige Momente, in mir zu glosen. Sonst wäre mir
alles egal, und ich würde keinen Kaffee mehr trinken.
Diese Worte wären für die Zukunft wünschenswert und
erstrebenswert, sie viel öfter zu Lesen oder zu hören:
- Liebe,
- Frieden,
- Respekt,
- Freiheit,
- Toleranz!
…und diese nicht nur um sie wahr zunehmen sondern auch spürbar
machen.
Deshalb schenke ich Dir lieber Leser eine Umarmung.
Sie
nimmt mir, wie vielleicht auch Dir, auch ein wenig die Angst.
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