Donnerstag, 10. Dezember 2015

Nonkonformes Nachtleben

DayandNight
Der Tag beginnt mit dem Sonnenaufgang und endet mit dem Sonnenuntergang. Die Nacht beginnt mit dem Sonnenuntergang und endet mit dem Sonnenaufgang. Die Stunden der Tag und Nachtphase sind im Sommer und Winter unterschiedlich lange. Das sind die uns bekannten Naturgesetze.

Doch irgendwann kam der Mensch auf die Idee, diese Phasen für sich mit einem Messgerät, namens Uhr zu normieren. Das beeinflusste zwar nicht die Anzahl der Sonnenstunden, aber der Mensch hatte nun ein Gerät mit dem er die Zeit messen konnte. 24 Stunden - 1440 Minuten - 86400 Sekunden stehen pro Tag+Nacht zur Verfügung. Ab sofort konnten sich die Menschen endlich immer pünktlich treffen, weil ja jedem die Uhrzeit als Anhaltspunkt zur Verfügung stand.

Wie war das wohl vorher? Wie konnten sich Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt treffen, ohne ein Messgerät dafür zu haben? Am Stand der Sonne, des Mondes, der Sterne? Hatten sie vielleicht so etwas wie eine biologische Uhr? Den Tieren wird wohl dieses Gerät mit Rädchen und Zeiger ziemlich gleichgültig gewesen sein.

Und der Mensch richtete immer mehr sein Leben nach diesem Zeitmessgerät aus. Es brachte Ordnung in den Alltag. Mit Beginn der Technisierung wurde die Uhr immer wichtiger. Züge, Schiffe, Flugzeuge und andere Verkehrsmittel brauchten ja Fahrpläne und festgelegte Zeiten für Ankunft und Abfahrt. Wo aber die Zeitmessung, meiner Meinung nach den größten Einfluss hat, ist die Arbeitswelt. In jeder Fabrik hing eine riesengroße Uhr, und wahrscheinlich gibt es diese heute noch in manchen großen Betrieben. Der arbeitende Mensch musste sich nun streng an die Vorgabe der Zeiger halten. Auch dann, als der Tag in mehrere Schichten eingeteilt wurde. Egal ob draußen die Sonne schien oder es stockdunkel war. Den Rhythmus gab die Uhr vor. Es wurde ein Gesetz betreffend die Einführung einer einheitlichen Zeitbestimmung festgelegt.

Über die Zeit wurde der Mensch zum Sklaven der Zeit. Streng strukturierte Tage sollen angeblich gut für ein vernünftiges Leben sein. Zum Beispiel: 8 Uhr aufstehen, 8:15 Uhr auf die Toilette gehen, 8:30 Uhr frühstücken, 8:45 duschen, 9 Uhr usw. etc. Jeder hat sich gefälligst an die vorgegebene Zeitangabe zu halten. Würden wir das nicht mehr tun, käme es wohl zu einem  Chaos, oder?

Ich trage schon mehr als 30 Jahre keine Uhr mehr an meinem Armgelenk. Selbstverständlich benötige auch ich die Uhrzeit um pünktlich zu sein. Natürlich klingelt der Wecker (mittlerweile das Handy) um mich für einen Termin aus dem Bett zu schmeißen. Und selbstverständlich finde ich es ganz angenehm, wenn mir die Leuchtschrift bei der U-Bahn erzählt, wann der nächste Zug kommt. Der dann tatsächlich nach der angegebenen Minutenzahl eintrifft. Ja die Zeiger oder Ziffern auf den Zeitmessgeräten haben schon Vorteile, keine Frage.

Aber ich habe festgestellt, dass meine innere Uhr noch immer ganz gut funktioniert. Auch in der Arbeitswelt kam ich sehr gut damit zurecht. Der tatsächliche kurze Blick auf eine Uhr bestätigte mir oft, dass ich gut in der Zeit liege.

Doch eines hat sich nie eingependelt, egal ob ich nun um 5 Uhr früh oder später aufstehen musste. Meine absolut aktivste und produktivste Phase spielt sich in den Nachtstunden ab. Kaum ein Bild das ich gemalt habe, ist tagsüber entstanden. Auch meine Buchstaben formen sich in den Nachtstunden einfacher und schneller zu Worten. Hausarbeit macht mir in der Nacht ebenfalls mehr Freude, als am Tag. Die Wände in meinem Wohnzimmer habe ich ebenfalls in einer Nachtschicht gestrichen. Für mich hat die Nacht eine besondere Energie.

Es ist für mich eine Qual vor 24 Uhr ins Bett gehen zu müssen. Es wurde mir einmal gesagt, es ist eine Frage der Einteilung des Tages und eine Frage der Gewohnheit. Ich zweifle das sehr an. Nach unterschiedlichsten Varianten, die ich schon ausprobiert habe und auch zwangsläufig auch tun musste, bei mir funktioniert das nicht. Warum das so ist, weiß ich nicht. Doch ich habe es mittlerweile akzeptiert.

Trotz der unzähligen Nachfragen von anderen Menschen, wann ich den endlich schlafen gehe? Ich denke, ich schlafe ausreichend, nur halt zu einer anderen Zeit. Vielleicht lebe ich auf dem falschen Kontinent? Nach meinem Gefühl habe ich mehr Zeit zur Verfügung, als die „TagMenschen“, seltsam?

Die Erde dreht sich weiter, die Nacht geht vorüber und die Menschen beginnen den Tag mit einem Blick auf die Uhr.

Und dann gibt es unzählige Dinge im Leben, die nicht nach der Uhrzeit fragen. Das Baby, das zur Welt kommt. Der Mensch, der einen Unfall hat. Der Mensch, der sich verliebt. Der Mensch, der krank wird. Und der Mensch, der stirbt, außer er bestimmt selbst seinen Todeszeitpunkt. Aber selbst da denke ich, dass er dafür keine Uhr benötigt.

Ich runde diesen Beitrag mit einem passenden Lied zu meiner chronobiologischen Eulen-Tendenz ab. Eben eine genetische Veranlagung (Prädisposition), gegen die ich nicht wirklich ankämpfen kann – wenn ich das richtig verstanden habe.



Vogel der Nacht - Stephan Remmler (1988)



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