Dienstag, 8. Dezember 2015

Das Baby das aus der Kälte kam - Social Freezing

Egg

Kinder sind die Zukunft der Welt. Wir alle waren mal Kinder. Wahrscheinlich wissen auch viele von uns, wie sie entstanden sind, falls es ihnen von ihren Eltern erzählt wurde. Als ich das erste Mal von der Möglichkeit hörte, dass eine Frau sich Eizellen einfrieren lassen kann, fiel mir meine zweite Arbeitsstelle ein.

Nach meiner Lehrzeit war mir klar, ich möchte mir einen neuen Arbeitgeber suchen. Ich habe dort zwar sehr viel gelernt und die Tätigkeit an sich machte mir Spaß, aber so wirklich das Gelbe vom Ei war es nicht. Also durchstöberte ich am Wochenende die Stellenanzeigen. Damals im Jahre 1981 war es noch ein Leichtes, die Auswahl war groß und die Arbeitgeber buhlten um jeden guten Mitarbeiter. Somit konnte ich ohne Arbeitslosigkeit dazwischen den Arbeitsstellenwechsel vornehmen.

Es war eine alteingesessene Fabrik, die vorwiegend Produkte für Bäcker und Konditoren herstellte. Backhilfsmittel, mit denen dann Brot, Toast, Salzstangerl, Mohnweckerl, Grahamweckerl, Wachauerlaberl und unendlich viele andere Köstlichkeiten produziert wurden. Vorwiegend waren es Basismischungen, ähnlich denen, die es heute in den Supermärkten auch für den Privatgebrauch zu kaufen gibt. Da ich in der Verkaufsabteilung arbeitete, musste ich vorerst sehr viel über die Produktpalette lernen. Der Großteil der Artikel wurde in der Fabrik produziert. Es gab eine eigene Forschungsabteilung und im Labor wurden viele neue Rezepte ausgetüftelt. Die Prämisse war immer so wenig wie möglich Chemie. Die Bäcker in dieser Zeit wollten das nicht. Brot und andere Backwaren wurden meist nach uralten Rezepten gebacken und künstliches Zeugs durfte da auf gar keinen Fall rein. Das war eine Sache der Ehre und der Tradition. Alles wurde frisch in der Backstube in nächtlichen Stunden hergestellt, damit der Kunde die köstlich noch warmen Backwaren kaufen konnte. Selbst die größeren Hersteller, die viele Filialen in Wien hatten produzierten so ihre Ware. Zu dieser Zeit gab es noch Tausende Backstuben in Wien und alle hatten ihr Auskommen. Und wenn man damals früh morgens eine Semmel kaufte, war sie sicherlich in den darauffolgenden Tagen auch noch genießbar. Falls sie dann doch hart geworden ist, wurden Brösel oder Semmelbröckerl daraus gemacht. Oder zu einem delikaten süßen Auflauf verzaubert. Ich kann mich nicht erinnern, dass damals Brot und Gebäck im Müll gelandet ist. Niemand kam auf die Idee Backwaren länger als notwendig auf zu bewahren. Es war ein Produkt das frisch und ohne Haltbarkeitsstoffe konsumiert wurde. Niemand kam auf die Idee Backwaren einzufrieren.

Doch irgendwann zog auch hier die Chemie ein und Brot und Semmerl wurden immer mehr zu Massenprodukten der Lebensmittelindustrie. Das Ergebnis sehen und schmecken wir heute. Tiefgefrorene Teigklumpen werden in protzigen Schaubacköfen in Supermärkten pseudogebacken und wir denken, hey wie frisch! Doch noch am selben Abend, ist das Stück nicht mehr genießbar und kaum zur Weiterverwendung geeignet.

Was hat das nun mit eingefrorenen Eizellen der Frau zu tun?

Nun ich frage mich, ist ein Baby, dass aus der Tiefkühlbox kommt, genauso wie die heutigen Semmerl? Keine Frage, für Frauen die akut an einer schweren Erkrankung leiden, aber noch Kinder bekommen möchten eine gute Methode. Auch für die, die vielleicht im Augenblick nicht den richtigen Partner dazu haben. Und wahrscheinlich gibt es noch viele andere Gründe warum Frauen das tun. Ich weiß nicht, ob ich davon Gebrauch machen würde, wenn ich in einer dieser Situationen wäre. Doch jetzt erscheint es mir, als würde Kinderkriegen immer mehr eine Frage der „Anschaffung“. Wann ist der richtige Zeitpunkt, passt das Kind in den Karriereplan, passt das Kind zu meinem Alter, passt das Kind in meine Wohnung, passt überhaupt ein Kind? Es gibt doch etliche Verhütungsmethoden die dabei hilfreich sein können, oder? Keine Frage, Kinder sollten gewollt sein und Kinder sollten geliebt sein. Was weiß die Forschung über Kinder, die bei minus 196°C auf ihre Geburt warten mussten? Sind diese Kinder dann älter, als die, die natürlich gezeugt wurden? In welcher Frischhaltechemie müssen diese Eizellen Jahre schwimmen? Was passiert, wenn in der Warteschleife die Temperatur schwankt oder gar der Strom ausfällt? Hat das Auswirkungen auf das Leben dieses Kindes?

Unabhängig von all meinen Fragen, hörte ich jetzt davon, dass große Konzerne Frauen bei Einstellungsgesprächen das „Social Freezing“ anbieten. Ein Teil des Arbeitsvertrages.  Frauen im gebärfreudigen Alter wird das Einfrieren ihrer Eizellen bezahlt. Es wird ihnen somit freigestellt, wann sie gefälligst Kinder zu bekommen haben. Auch wenn es zunächst als Option erscheint, ich finde das ist hinterfotziger Druck auf persönliche Entscheidungen. Ein Eingriff ins absolut Intime. Das lässt mein Herz gefrieren und ich frage mich, wie weit die Gier noch in unser Privatleben eingreifen wird.

Ich bin glücklich und dankbar, einen frischen und gesunden Sohn zu haben. Froh darüber, nicht vor der Entscheidung zu stehen, ob ich Eizellen einfriere oder einen Job bekomme oder behalte. 



Zu guter Letzt denke ich an die köstlichen Semmerln, warm knusprig wohlschmeckend die wirklich frisch bis zum letzten Bröserl sind. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen