Montag, 22. Oktober 2018

Kunst ist Leben. Leben ist Kunst (6)

Hieronapsen


Als Kleinkind lernen wir trinken, essen, sprechen und gehen. Diese funktionalen Tätigkeiten werden uns meist durch unsere Eltern beigebracht. Wir üben und beobachten die großwüchsigen Menschen dabei, wie sie es tun. Besonders das Laufen finden wir spannend, weil wir dadurch eine bessere Sicht auf die Dinge in unserer Umgebung haben. Vor allem gelangen wir durch die vertikale Körperhaltung an viele Sachen, die wir gerne untersuchen möchten. Die Neugierde ist unser größter Antrieb. Alles stecken wir  in den Mund, riechen daran und oft werfen wir die ergatterten Gegenstände durch die Gegend. Es ist spannend die dabei entstehenden Geräusche zu hören und zu beobachten, was mit dem Wurfgeschoss geschieht. Wir erkennen von Mal zu Mal, dass nicht alles zum Spielen gedacht ist. Spätestens dann, wenn uns die Erwachsenen darauf aufmerksam machen. Dabei macht doch Burgenbauen mit dem Erdäpfelpüree oder sich mit dem Spinat bemalen so großen Spaß.
Eines Tages bekommen wir Malfarben, Pinsel und ein Blatt Papier. Hier dürfen wir voll und ganz unsere Phantasie austoben. Meist benötigen wir dazu nicht einmal den Pinsel, sondern benutzen viel lieber unsere Hände dafür. Es macht also gar nichts, wenn wir uns mit der Farbe bekleckern. Die kunstvoll gestalteten Werke werden bewundert. Sie werden stolz von den Erwachsenen an die Wand gehängt.
Soviel wie wir in den ersten Lebensjahren lernen, lernen wir nie wieder.
Die Basisinformation der Kindheit bleibt uns bis ans Lebensende erhalten.
Aber leider gibt es da eine Krankheit, die uns im Alter ereilen kann.
Demenz.
Oft habe ich mir schon überlegt:
körperlich eingeschränkt zu sein oder 
ein geistiges Handicap zu haben.
Selbstverständlich wünsche ich mir, von Beiden so wenig wie möglich betroffen zu sein. Aber eigentlich würde ich es wahrscheinlich besonders schrecklich empfinden, wenn mich mein aktives Gedächtnis immer mehr im Stich lässt. Phasenweise habe ich das schon bei meinen psychischen Erkrankungen erlebt. Wenn mir z.B. Wörter nicht mehr einfallen oder wenn der Kopf überhaupt völlig leer ist. Sprachlos sitzt man da und hat plötzlich den Eindruck sich nicht mehr mitteilen zu können. Dies bringt zwangsläufig massive Probleme im Alltag mit sich. Die Verständigung mit den Mitmenschen wird schwierig. Umso länger diese Phasen dauern, desto stiller wird es um mich. Ich merke wie ich die einfachste Konversation verlerne. Folgeerscheinung: Reduktion der sozialen Kontakte und Einsamkeit.
Seltsam wie die Sprache im Laufe des Lebens als vorrangiges Kommunikationsmittel in den Vordergrund gerückt ist.
Doch wie nimmt man mit dem Umfeld Kontakt auf, wenn einem das Gehirn die Worte für das Reden nicht mehr liefert? Wenn immer mehr dieser Buchstabengebilde verloren gehen oder wir sie nicht mehr in unseren gigantischen grauen Speicher  finden? Was bleibt, wenn das Gedächtnis nicht mehr funktioniert?
Ich habe in diesen spannenden Bereich keine Ausbildung, bin kein Arzt oder Neurologe.
Aber ich denke, uns bleibt das was uns von Geburt aus mitgegeben wurde, jedoch auch die Dinge, die wir ohne sprachliche Kenntnisse erlernt haben.
All die sinnlichen Erlebnisse : Das Fühlen - Das Riechen - Das Hören - Das Sehen - Das Schmecken!
Aus diesem Grunde glaube ich, dass kreative Aktionen besonders im Alter eine wesentliche Bereicherung sein können. Nicht nur für die Ausführenden sondern auch für die Mitmenschen. Eine andere Art der Verständigung könnte dadurch ermöglicht werden. Inwieweit man als stark demenzkranker Mensch dazu noch in der Lage ist, weiß ich nicht. Dennoch finde ich es erstrebenswert in diesem Bereich verstärkt die langsam vergessenden Menschen mithilfe von Kunst zu beleben.
Ich bin mir ziemlich sicher, die kreative Phantasie steckt selbst dann noch in uns, auch wenn wir keine Worte mehr dafür finden.
Hier ein schönes Beispiel zu diesem Thema:
Wie gesagt, ich wünsche mir selbstverständlich mein Gedächtnis bis zum letzten Tag in meinem Leben benutzen zu dürfen. Wenn dem nicht so sein soll, gebt mir einen Pinsel und Farben in die Hand. Geübt habe ich ja ausreichend, ohne viel nachzudenken.
In der Jugend lernen wir, im Alter verstehen wir. (Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach (1830 - 1916), österreichische Erzählerin, Novellistin und Aphoristikerin)
(verfasst am 31.01.2015©Bluesanne)

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