Stalagmit |
B edeutung: Aufrichtigkeit (das Aufrichtigsein) bedeutet der „eignen, inneren Überzeugung ohne Verstellung Ausdruck geben“und bezeichnet ein Merkmal persönlicher Integrität. (Quelle: Wikipedia)
Mein aufrichtiges Beileid
und tiefes Mitgefühl.
Diesen Satz verwenden wir meist
dann, wenn wir den Hinterbliebenen zum Verlust eines Menschen kondolieren.
Jetzt mal ehrlich, ist es nicht oft so, dass es meist aus reiner Höflichkeit
gesagt wird? Wie viel Ehrlichkeit steckt wirklich dahinter? Es hängt wohl von
der Person ab, der man sein Mitgefühl ausdrückt, oder?
Kinder sind bis zu einem bestimmten
Alter (bis wann eigentlich?) sehr aufrichtig. Wenn sie etwas nicht mögen,
schreien sie, schütteln den Kopf oder weinen sogar. Ganz Hartnäckige wälzen
sich sogar auf dem Boden. Erwachsene wollen sie dann meist vom Gegenteil
überzeugen. Gut, nicht alles was ein Kind nicht mag, ist auch gleichzeitig
tatsächlich schädlich oder schlecht. Das Kind drückt halt in diesem Moment sein
Unbehagen aus. Die ersten kleineren Unehrlichkeiten beginnen wohl in der
Schule. „Hast Du Deine Aufgabe gemacht?“
Wieviel Zeit investiert man nun als Erwachsener, der Sache auf den
Grund zu gehen? In Zeiten, wo alle bis zum Umfallen arbeiten, wo Kinder zwölf
oder mehr Stunden pro Tag außerhalb der Familie verbringen. Wie viel Wert legt
ein Erwachsener auf die Ehrlichkeit seines Kindes
tatsächlich? Oder lässt man das eine oder andere Mal, eine kleine Notlüge
durchgehen?
Ich weiß, dass mir mein Sohn
sicherlich nicht immer die Wahrheit erzählt hat. Manche Dinge erschienen mir
nicht so wesentlich. Wenn er z.B. erzählt hat, er wäre dort gewesen, aber in
Wirklichkeit ganz woanders wahr. Doch wenn es um wichtigere Angelegenheiten
ging, war ich schon sehr dahinter der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Eine
Basis an Grundehrlichkeit und Aufrichtigkeit, welche sich nicht immer leicht
umsetzen lässt.
Ein
klares Ja oder Nein aussprechen
ohne jeden Zweifel. Geht das, ein Leben lang? Sich seinen Grundsätzen treu
bleiben. In so manchen Bereichen, bezweifle ich das sehr. Ich denke, so richtig
aufrichtig sein kann ich erst dann, wenn ich tatsächlich weiß, was ich möchte.
Dazu gehört jede Menge Erfahrung und sich selbst kennen lernen. Das ist
mitunter das Positive an meinen psychischen Erkrankungen, ich bin fast täglich
damit konfrontiert. Ich muss mich fragen: Ist das gut für mich, oder lasse ich
es sein? Tue ich den Anderen gut damit? So entsteht für mich eine Art Basis,
welche mich zur Ehrlichkeit zwingt. Zwingen ist zwar etwas krass ausgedrückt,
jedoch es entsteht schon eine Art Druck. Aber auch die Disziplin ist gefragt.
Angefangen von Kleinigkeiten im
Alltag bis zu mehr oder weniger größeren Entscheidungen, muss ich mich jedes
Mal aufs Neue fragen: Ja oder Nein. Und oft, ja sehr oft auch: Ich weiß es
nicht. Mehr Varianten kommen nicht in Frage, oder?
In meinem Terminkalender gibt es in
den nächsten Wochen relativ viele Termine. Neu und ungewohnt für mich, da ich
in den letzten Jahren lediglich Amts- oder Arzttermine wahrgenommen habe. Für
Viele, wahrscheinlich nichts Besonderes. Für mich stellt sich dabei immer die
Frage: Schaffe ich es? Wie viel kann ich mir zumuten? Lieber ein Treffen
weniger, als eines zu viel. Wo ich anschließend völlig fertig und genervt Heim
komme. Wo der Andere von mir genervt ist. Vielleicht liegt es auch daran, dass
ich ein Genussmensch bin. Ich habe nicht wirklich Interesse an
Zwischendurch-Mahlzeiten, die nichts hergeben. Genießen braucht eben seine Zeit
und die nehme ich mir gerne für Dinge, die ich aufrichtig gerne tue.
Aufrichtigkeit steht für mich auch
für Zuverlässigkeit. Vertrauen darauf, dass ich etwas anständig und ordentlich
erledigen kann. Gewissenhaft und überlegt an eine Sache herangehen. Und
wiederum mich selbst fragen, inwieweit bin ich dazu tatsächlich in der Lage.
Wenn ich Zweifel habe, gestehe ich mir diese meist ein. Ganz besonders wichtig
erscheint mir die Aufrichtigkeit den Mitmenschen gegenüber. Ein Balanceakt
zwischen Höflichkeit, Respekt und Einfühlungsvermögen. Sich selbst und dem
Gegenüber. Ohne jegliche versteckten, hintergründigen Absichten. Ohne Manipulationsgedanken.
Sich selbst und dem Gegenüber.
Meinung
haben, Meinung bilden sich eine Meinung machen. Aufrichtig hinter einer Meinung
stehen. Ich denke, dies ist wohl eine ganz besondere Herausforderung. Wie
schnell knickt eine Meinung; zu einer vermeintlichen aufrechten Einstellung.
Plötzlich kommen etliche Gegner auf Dich zu geritten. Halten Dir das Messer an
die Kehle. Wieviel Mut, wieviel Standhaftigkeit habe ich dann noch? In meiner Kindheit, wenn mir mein Vater oft Wahrheiten
heraus prügeln wollte, habe oft lieber geschwiegen. So bin ich mir zumindest
teilweise treu geblieben. Ich denke, das hat mich ein wenig geprägt. Es muss
wohl schon sehr große Gefahr drohen, dass ich nicht das sage, wovon ich nicht
wirklich überzeugt bin. Lieber schweige ich.
Ich liebe die Wahrheit, die zu mir.
Auch wenn sie allzu oft nicht wirklich erfreulich ist. Doch in der Quintessenz
macht es nur so, für mich Sinn. Verwundert und erstaunt bin ich über
Reaktionen, wenn ich eben so rede oder schreibe, wie es nun eben bei mir so
ist. Das ich Dies oder Das nicht kann, das andere vielleicht besser und anderes
wiederum sehr gut. Das ich jenes mag und anderes wiederum gar nicht. Ich denke
zwar verdammt viel nach, doch über manches mache ich mir einfach keine
Gedanken. Weil es ganz einfach meine aufrechte Einstellung dazu habe. Ich kann
sehr offen sein und dennoch Tabus haben. Das Eine schließt das andere nicht
aus.
Lob, Wertschätzung und Dank für
Offenheit und Ehrlichkeit zu bekommen ist für mich ein wenig seltsam. Sollte es
nicht selbstverständlich sein? Scheinbar ist es das nicht wirklich. Warum wird
es dann oftmals hervorgehoben? Extra erwähnt.
Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit,
Fairness, Herzlichkeit, Loyalität, Offenheit, Rechtschaffenheit, Transparenz,
Wahrheitsliebe und Zuverlässigkeit – Tugenden die noch zeitgemäß und angebracht
sind? Ich denke, mehr als je zuvor.
Keineswegs bedeutet es, gnadenlos
immer das zu sagen, was sich gerade im Kopf so an spontanem Gewirr entwickelt.
Keineswegs bedeutet es, um jeden Preis darauf zu pochen. Keineswegs bedeutet
es, immer sofort seine persönliche Aufrichtigkeit zu kennen. Es ist ein
Lernprozess. Aus Vergangenem, Jetzigem und vielleicht auch Zukünftigem. Und
wahrscheinlich habe ich auch nicht jeden Tag die Energie und Kraft mir
hundertprozentig treu zu sein. So ehrlich, muss ich dann halt auch zu mir sein.
Doch am Ende würde ich mir schon gerne sagen: „Ja, Du bist aufrecht durchs Leben
gegangen!“ Ganz besonders wohltuend ist es, wenn dies mir nahe Menschen
ebenso wissend schätzen. Auch dann, wenn die Aufrichtigkeit manchmal
nicht so angenehm ist.
Selbst mit meiner angeborenen
Skoliose, werde ich weiterhin versuchen, aufrecht zu gehen. Denn spätestens
dann, wenn ich einem Menschen gegenüber trete, zeigt die Aufrichtigkeit ihr
wahres, gerades Gesicht. Weil sie ganz tief drinnen ihren Platz einnimmt.
Zu guter Letzt dann, wenn ich dem
Tod ins Augenblicke, hat es mit der Aufrichtigkeit wohl ein Ende, weil ich da
in die Horizontale gerate.
(Wobei meine Wirbelsäule hat sich zu
einem „S“ gebildet – könnte für Susanne stehen.)
Lieber ehrliche Tränen, als ein gelogenes Lachen. ©Bluesanne
Aufrichtigen Dank fürs Lesen!
(verfasst am 12.04.2015 © Bluesanne )
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